Zusammenfassungen
»Je mehr Wettbewerb - umso besser«: Schließlich soll sich doch der, die oder das Beste durchsetzen. Also versucht man, auch dort, wo es keinen Markt gibt, künstliche Wettbewerbe zu inszenieren. Diese Produktion von Unsinn schafft zwar Arbeitsplätze, hat jedoch fatale Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft: Sinn wird durch Unsinn verdrängt, Qualität durch Quantität.
Von Klappentext im Buch Sinnlose Wettbewerbe (2010) Als in der Wissenschaft tätiger Mensch habe ich die in diesem Buch beschriebenen sinnlosen Wettbewerbe und den dabei entstehenden Unsinn selbst erlebt und anfänglich auch mitgemacht. Während der Zeit des Schreibens an meiner Habilitation Mitte der 90er Jahre war ich mehrmals versucht, die ganze Wissenschaft an den Nagel zu hängen. Es kam mir vollkommen absurd vor, den größten Teil meines Lebens mit dem Verfassen von Fachartikeln zu verbringen, die weder mich noch sonst jemand interessieren, aber notwendig sind, um eine akademische Karriere zu verfolgen. Zum Glück fanden sich dann doch immer wieder Nischen, die es mir erlaubten, mich mit spannenden Themen zu beschäftigen. Das ist heute zu einem großen Luxus geworden. Denn Wissenschaftler werden immer mehr dazu gezwungen, sich in staatlich initiierten Wettbewerben um Forschungsgelder zu balgen und einen möglichst großen Publikationsoutput zu produzieren.
Doch die Wissenschaft ist keineswegs ein Einzelfall. Künstlich erzeugte Wettbewerbe ohne Markt finden wir auch im Bildungsbereich, im Gesundheitswesen und nicht zuletzt in privaten Unternehmen, in denen intern eine kleine Planwirtschaft herrscht. Mir wurde immer stärker bewusst, dass es sich hier um ein allgemeines Phänomen handelt, das statt zu mehr Effizienz zur Produktion von immer mehr Unsinn führt.
Von Mathias Binswanger im Buch Sinnlose Wettbewerbe (2010) Die heutigen gesellschaftlichen Ideale kommen in abstrakten Begriffen wie „Effizienz“, „Exzellenz“, „Leistung“, „Markt“, „Wettbewerbsfähigkeit“, „Innovation“ oder „Wachstum“ zum Ausdruck und in unzähligen Wettbewerben versuchen wir uns gegenseitig mit diesen Idealen zu übertrumpfen. Immer noch effizienter, noch exzellenter, noch wettbewerbsfähiger und noch innovativer muss man werden, auch wenn man in Wirklichkeit gar nicht so genau weiß, warum und wozu. In unserer gründlich durchsäkularisierten Gesellschaft, sind diese Begriffe zu den letzten, nicht mehr zu hinterfragenden Werten geworden, denen zu dienen unser höchstes Ziel ist. Ein anständiger Bürger fragt nicht weiter, warum es immer mehr Wettbewerb oder mehr Wachstum braucht.
Vermeintlich muss man sich diese Frage auch gar nicht stellen, denn schließlich leben wir in einer Marktwirtschaft. Und ein Marktwettbewerb sollte automatisch dafür sorgen, dass diejenigen Dinge produziert werden, die am meisten Nutzen stiften. Mit der Produktion sinnloser Dinge käme man da, so scheint es, nicht weit. Dort wo sich mehr oder weniger vollständige Märkte entwickelt und etabliert haben, stimmt das auch. Wer ungenießbare Lebensmittel herstellt, wird bald vom Markt verschwinden. Doch in vielen Bereichen der Wirtschaft gibt es keine oder nur unvollständig funktionierende Märkte. Und da ist man im Zuge einer zunehmenden Markt- und Wettbewerbsgläubigkeit über die letzten Jahrzehnte auf die fatale Idee gekommen, künstliche Wettbewerbe zu inszenieren, um so die angebliche überlegene Effizienz der Marktwirtschaft bis in den hintersten Winkel jeder öffentlichen und privaten Institution voranzutreiben. Mit missionarischem Eifer werden überall Leistungsanreize gesetzt, doch was dabei als Leistung herauskommt, ist in Wirklichkeit ein gigantischer Unsinn. Ein neues Gespenst geht also um in Europa. Es ist das Gespenst des künstlichen Wettbewerbs, welches sich zu einer Ideologie entwickelt hat, in die wir uns verrannt haben.
Von Mathias Binswanger im Buch Sinnlose Wettbewerbe (2010) im Text Ein neues Gespenst geht um in Europa Das Buch ist folgendermaßen aufgebaut: In einem ersten Teil geht es um das Verhältnis zwischen Markt und Wettbewerb und um die mit künstlichen Wettbewerben ohne Markt verbundenen Illusionen. In Kapitel 2 wird der Idealfall des Marktwettbewerbs dargestellt, auf dem die von Adam Smith beschriebene unsichtbare Hand des Marktes für Effizienz sorgt. Allerdings sind die Bedingungen für diesen Idealfall in der Realität immer nur mehr oder weniger erfüllt und real existierende Märkte demzufolge auch nur mehr oder weniger effizient. Solange jedoch eine vom Angebot unabhängige Nachfrage existiert und ein Preissystem Angebot und Nachfrage aufeinander abstimmt, sorgt der Markt im Allgemeinen für eine bessere Lösung als jedes andere Verteilungssystem. Ohne ein funktionierendes Preissystem ist das aber nicht mehr der Fall und man kann sich die Markteffizienz nicht durch künstliche inszenierte Wettbewerbe ohne Markt herbeizaubern. In den Kapiteln 3 bis 5 werden die hinter dieser Idee stehenden Illusionen erläutert. Kapitel 3 beschreibt die Wettbewerbsillusion, die davon ausgeht, dass sich die Effizienz eines Marktwettbewerbs auch ohne Markt durch künstlich inszenierte Wettbewerbe erreichen lässt. Kapitel 4 handelt von der Messbarkeitsillusion, die uns glauben machen will, dass man qualitative Leistungen mit Kennzahlen messen könne. Und Kapitel 5 beschreibt die Motivationsillusion, die hinter der Idee steckt, dass man Menschen mit Zuckerbrot und Peitsche zu Höchstleistungen verführen kann.
Im zweiten Teil wird dann beschrieben, wo es überall zu Unsinnproduktion kommt und welche Folgen diese mit sich bringt. Kapitel 6 gibt eine Übersicht, wobei neben den drei Hauptbereichen Wissenschaft, Bildung und Gesundheitswesen auch die Unsinnproduktion durch künstliche Wettbewerbe in Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung und bei privaten Großunternehmen angesprochen wird. In Kapitel 7 und 8 werden die beiden Bereiche Wissenschaft und Gesundheitswesen genauer analysiert. Kapitel 7 zeigt, wie künstlich inszenierte Wettbewerbe zur Förderung der Exzellenz in der Wissenschaft zu immer mehr Nonsens führen, was sich vor allem bei den Publikationen beobachten lässt. Kapitel 8 beschreibt die Unsinnproduktion im Gesundheitswesen, wo inszenierte Wettbewerbe zu immer mehr Untersuchungen und Medikamentenvergabe statt individueller Heilung führen. Das abschließende Kapitel 9 enthält einige wichtige Grundsätze für eine zukünftige Politik, die auf künstliche Wettbewerbe verzichtet. Und genau dieser Verzicht ist die wichtigste Forderung dieses Buches.
Von Mathias Binswanger im Buch Sinnlose Wettbewerbe (2010) im Text Ein neues Gespenst geht um in Europa Im zweiten Teil wird dann beschrieben, wo es überall zu Unsinnproduktion kommt und welche Folgen diese mit sich bringt. Kapitel 6 gibt eine Übersicht, wobei neben den drei Hauptbereichen Wissenschaft, Bildung und Gesundheitswesen auch die Unsinnproduktion durch künstliche Wettbewerbe in Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung und bei privaten Großunternehmen angesprochen wird. In Kapitel 7 und 8 werden die beiden Bereiche Wissenschaft und Gesundheitswesen genauer analysiert. Kapitel 7 zeigt, wie künstlich inszenierte Wettbewerbe zur Förderung der Exzellenz in der Wissenschaft zu immer mehr Nonsens führen, was sich vor allem bei den Publikationen beobachten lässt. Kapitel 8 beschreibt die Unsinnproduktion im Gesundheitswesen, wo inszenierte Wettbewerbe zu immer mehr Untersuchungen und Medikamentenvergabe statt individueller Heilung führen. Das abschließende Kapitel 9 enthält einige wichtige Grundsätze für eine zukünftige Politik, die auf künstliche Wettbewerbe verzichtet. Und genau dieser Verzicht ist die wichtigste Forderung dieses Buches.
Kapitel
- 1. Ein neues Gespenst geht um in Europa
- 4. Die Messbarkeitsillusion - Qualitative Leistungen lassen sich mit Kennzahlen messen
- 5. Die Motivationsillusion - Menschen brauchen Zuckerbrot und Peitsche, um Hochleistungen zu Erbringen
- 7. Beispiel Wissenschaft - Immer mehr unsinnige Publikationen
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9 Erwähnungen
- Workstyle - GDI Impuls 4/2010 (2010)
- Output, den die Welt nicht braucht (Mathias Binswanger, Detlef Gürtler)
- Incentives and Performance - Governance of Research Organizations (Isabell M. Welpe, Jutta Wollersheim, Stefanie Ringelhan, Margit Osterloh) (2015)
- 2. How Nonsense Became Excellence - Forcing Professors to Publish (Mathias Binswanger) (2015)
- 6. Performance Management and Incentive Systems in Research Organizations - Effects, Limits and Opportunities (Stefanie Ringelhan, Jutta Wollersheim, Isabell M. Welpe)
- Ambivalenzen des Ökonomischen - nalysen zur "Neuen Steuerung" im Bildungssystem (Martin Heinrich, Barbara Kohlstock) (2015)
- Das metrische Wir - Über die Quantifizierung des Sozialen (Steffen Mau) (2017)
- Bürokratische Zielverschiebung - Negativeffekte von Evaluationen theoretisch rekonstruieren und praktisch vermeiden (Christof Arn, Franz Röösli) (2017)
- Lehrmittel in einer digitalen Welt (Beat Döbeli Honegger, Michael Hielscher, Werner Hartmann) (2018)
- Die Verselbstständigung des Kapitalismus - Wie KI Menschen und Wirtschaft steuert und für mehr Bürokratie sorgt (Mathias Binswanger) (2024)
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Beat und dieses Buch
Beat hat dieses Buch während seiner Zeit am Institut für Medien und Schule (IMS) ins Biblionetz aufgenommen. Beat besitzt ein physisches und ein digitales Exemplar. (das er aber aus Urheberrechtsgründen nicht einfach weitergeben darf). Es gibt bisher nur wenige Objekte im Biblionetz, die dieses Werk zitieren.