Extrinsische Motivation kann intrinsische Motivation schwächen |
Diese Seite wurde seit 2 Jahren inhaltlich nicht mehr aktualisiert.
Unter Umständen ist sie nicht mehr aktuell.
BiblioMap
Bemerkungen
Mittlerweile wurden zahlreiche Studien durchgeführt, aus denen das Gleiche hervorgeht: Manchmal lassen sich die Beweggründe nicht addieren. Manchmal konkurrieren sie geradezu miteinander.
Vor einigen Jahren haben Forscher der Universität von Massachusetts insgesamt 51 Studien zur Wirkung von Effekten finanzieller Anreize analysiert. Sie fanden «überwältigende Beweise», dass Boni die innere Motivation und den moralischen Kompass der Mitarbeiter abstumpfen können.
Von Rutger Bregman im Buch Im Grunde gut (2019) im Text Die Kraft der inneren Motivation Die eigentliche Pionierabeit zum Verdrängungseffekt stammt aber nicht aus der Bildung, sondern betrifft das Blutspenden. In seinem Buch The Gift Relationship aus dem Jahre 1970 zeigte Professor Richard Titmuss von der London School of Economics, wie Bezahlung für das Spenden von Blut dazu führt, dass die Bereitschaft der Menschen zum Blutspenden ab- statt zunimmt. Die Bezahlung verdrängt in diesem Fall die altruistisch ausgerichtete intrinsische Motivation, anderen Menschen mit Blutspenden zu helfen. Das Blutspenden wird durch die (relative geringe) Bezahlung zu einer normalen wirtschaftlichen Tätigkeit, die sich für die meisten Menschen aus ökonomischem Kalkül heraus gar nicht lohnt. Sie lohnt sich dann nur noch für diejenigen, die kurzfristig dringend Geld brauchen. Und dies sind möglicherweise nicht die gesündesten Menschen mit den besten Blutwerten. Durch das Verdrängen der intrinsischen Motivation kommt es somit auch zu einer Verdrängung von Qualität.
Von Mathias Binswanger im Buch Sinnlose Wettbewerbe (2010) im Text Die Motivationsillusion Ganz im Gegenteil lässt sich beobachten, dass die Förderung der extrinsischen Motivation in vielen Fällen zu einer Verdrängung der intrinsischen Motivation führt.
Dieser Verdrängungseffekt („motivation crowding out effect“) ist heute gut bekannt und dokumentiert (siehe Frey und Jegen 2001 oder Osterloh und Frey 2002 für eine Übersicht). Er lässt sich leicht anhand von einleuchtenden Beispielen demonstrieren. Gibt man Studenten in einer Unterrichtsstunde die Möglichkeit, zwischen leichten und schweren Aufgaben zu wählen, ohne diese zu bewerten, dann entscheiden sie sich meist für die schwierigeren. Stellt man hingegen monetäre Belohnungen für das erfolgreiche Lösen der Aufgaben in Aussicht, dann konzentrieren sie sich auf die einfachen Aufgaben (Shapira 1976). Die versprochenen Belohnungen verdrängen in diesem Fall ihre zunächst vorhandene intrinsische Motivation, die schwierigen Aufgaben zu lösen. Die natürlich vorhandene Neugier und die Lust auf ein geistiges Abenteuer werden auf diese Weise erfolgreich ausgehebelt – ein völlig kontraproduktiver Effekt, da das Interesse an den Inhalten des Lernens auf diese Weise verschwindet.
Von Mathias Binswanger im Buch Sinnlose Wettbewerbe (2010) im Text Die Motivationsillusion Doch kehren wir zurück zur Psychologie. Eine sogenannte Metastudie aus dem Jahre 1999 bietet eine Übersicht über 128 empirische Arbeiten in der Psychologie (inzwischen hat sich die Zahl noch beträchtlich erhöht) zum Thema Verdrängungseffekt und kommt dabei zu folgenden Schlussfolgerungen (Deci et al. 1999): Belohnungen in materieller Form (vor allem Geld) haben einen signifikant negativen Effekt auf die intrinsische Motivation bei kreativen und komplexen Tätigkeiten. Sie haben nur dann einen positiven Effekt, wenn sie unerwartet oder nicht direkt an die Erfüllung einer bestimmten Leistung gebunden – und damit keine eigentlichen Leistungslöhne – sind. Andererseits haben nichtmaterielle Formen der Belohnung (Lob, Anerkennung) einen signifikant positiven Effekt auf die intrinsische Motivation. Es kommt also auch darauf an, auf welche Weise Mitarbeiter motiviert werden. Die intrinsische Motivation wird vor allem durch erwartete materielle Belohnungen wie Leistungslöhne, Bonuszahlungen oder Prämien verdrängt. Umgekehrt werden genau die Aspekte der extrinsischen Motivation vernachlässigt, die am wirksamsten wären: die nichtmateriellen Belohnungen. Diese werden nur spärlich eingesetzt, während umgekehrt viele Führungskräfte durch ihr Verhalten dafür sorgen, dass die Mitarbeiter zusätzlich demotiviert werden.
Von Mathias Binswanger im Buch Sinnlose Wettbewerbe (2010) im Text Die Motivationsillusion In der Zwischenzeit gibt es viele Arbeiten sowohl in der Psychologie als auch in der Ökonomie, die versucht haben, diesen Verdrängungseffekt für unterschiedlichste Tätigkeiten empirisch zu bestätigen oder zu widerlegen. Mit diesen empirischen Messversuchen des Verdrängungseffekts verhält es sich aber ähnlich wie mit der Leistungsmessung allgemein: man kann ihn dort relativ gut messen, wo er gar nicht besonders relevant ist. Und dort, wo er relevant ist, entzieht er sich einer exakten Messbarkeit. Dennoch gibt es aber einige interessante Resultate. So zeigt sich, dass Menschen, die eine Belohnung für Freiwilligenarbeit erhalten, weniger Arbeitsstunden leisten als solche, die keine Belohnung erhalten (Frey und Götte 1999). Das gilt zumindest solange, wie die Belohnung nicht ein gewisses Mindestmaß erreicht, bei der die Freiwilligenarbeit dann wieder zunimmt. Die Erklärung ist dieselbe wie schon beim Blutspenden. Durch Belohnungen wird Freiwilligenarbeit zu einer normalen Arbeitstätigkeit, die sich umso mehr lohnt, je höher die Belohnung ist. Die ursprünglich vorhandene intrinsische Motivation wird hingegen verdrängt und spielt für die Arbeit keine Rolle mehr, worunter auch die Qualität der Leistung zu leiden beginnt. Ist jemand beispielsweise nur politisch tätig, weil er dafür von Interessengruppen belohnt wird, dann wird der für einen guten Politiker ebenfalls notwendige Enthusiasmus verdrängt, und die Politik verkommt zur reinen Interessenvertretung.
Von Mathias Binswanger im Buch Sinnlose Wettbewerbe (2010) im Text Die Motivationsillusion Zitationsgraph
3 Erwähnungen
- Not Just For The Money - An Economic Theory of Personal Motivation (Bruno S. Frey) (1997)
- Sinnlose Wettbewerbe - Warum wir immer mehr Unsinn produzieren (Mathias Binswanger) (2010)
- 5. Die Motivationsillusion - Menschen brauchen Zuckerbrot und Peitsche, um Hochleistungen zu Erbringen
- Im Grunde gut - Eine neue Geschichte der Menschheit (Rutger Bregman) (2019)