Digitalisierung geht mit einer intensivierten „Datafizierung“ in der Bildung einher, d. h. immer mehr Informationen über Bildungs(steuerungs)prozesse werden automatisiert in (maschinenlesbare) digitale Daten transformiert und über hochkomplexe algorithmische Entscheidungssysteme für menschliche und maschinelle Entscheidungsprozesse aufbereitet. Wenngleich sich die deutschsprachige Bildungsforschung seit geraumer Zeit mit der Produktion und Nutzung von Daten beschäftigt und umfangreiches Wissen generiert hat, so manifestieren sich bei der Betrachtung zunehmend datenintensiver digitaler Technologien Forschungsdesiderata, die ein besseres Verständnis für deren Funktionsweisen und ihre bisher unterschätzte Wirkmächtigkeit betreffen. Um diese Desiderate zu adressieren wird in diesem Beitrag eine Übersicht der bislang v. a. in den angelsächsischen Ländern entwickelten critical data studies, mit Bezug auf Schule, erarbeitet. Die Übersicht dieser kritischen Studien weist auf den mit der Datafizierung einhergehenden sozialen und pädagogischen Wandel und auf vielversprechende Weiterentwicklungspotenziale für die Bildungsforschung in Deutschland hin, konkret: a) Forschungen zur Steuerung von Bildung, b) Schul- und Unterrichtsforschung sowie c) Ansätze zur Förderung von Datenkompetenz.

Der vorliegende Beitrag liefert ein „critical review“ (Grant und Booth 2009) der bislang v. a. in angelsächsischen Ländern bedeutsamen kritischen Datafizierungsforschung (critical data studies). In einem critical review werden anhand eines zielorientierten Samplingansatzes Publikationen auf ihren konzeptionellen Beitrag zur zukünftigen Gestaltung des Forschungsfeldes befragt (Suri 2011). Im Gegensatz zum „systematic review“, bei dem Ergebnisse aus qualitativen und/oder quantitativen Studien zusammengetragen, verglichen, evaluiert und zu einem Forschungsstand zusammengefasst werden, geht es beim critical review darum, vorliegende Literatur kritisch zu filtern und im Hinblick auf die Konzeptualisierung eines Forschungsfeldes zu analysieren (Grant und Booth 2009, S. 94 f.). Ziel des Beitrags ist entsprechend, eine Synthese konzeptioneller Entwicklungen bislang teils disparater Studien zu erstellen, um hieraus Anschlussperspektiven für zukünftige Forschung zu identifizieren. Zentrales Kriterium für die Aufnahme in das review ist, dass die Forschung zu algorithmischer, zunehmend automatisierter Datafizierung und Schule mit Annahmen und Zielen der critical data studies (s. u.) arbeiten.
Nach einer Übersicht zu den Prinzipien der critical data studies (2) werden drei besonders prominente, sich diesem Ansatz zuordnenden Forschungsbereiche zur algorithmischen Datafizierung kartiert: Forschungen zur Steuerung von Bildung (Educational Governance) (3), Schul- und Unterrichtsforschung (4) sowie Forschung zur Förderung von Datenkompetenz (Data Literacy) (5). Für jeden Bereich werden exemplarische Studien vorgestellt. Hierauf aufbauend, werden im Fazit (6) zentrale Forschungsdesiderata zusammengefasst.