ICT führt dazu, dass wir unser Gedächtnis immer weniger benutzen
BiblioMap
Bemerkungen
Das System ist einfach: Hilfsdienste, die uns so lange helfen, bis wir es nicht mehr alleine können, etwa
Straßenkarten lesen, wenn das Navi ausfällt, als schrittweise Entmündigung durch Bequemlichkeit.
Von Ralf Lankau im Text Technologie in unseren Schulen schadet mehr, als sie nützt (2017) Digitale Medien nehmen uns geistige Arbeit ab, und geistige Arbeit ist Voraussetzung dafür, dass Lernen stattfindet. Aus genau diesem ganz prinzipiellen Grund haben digitale Medien nachweislich einen lernverhindernden Effekt.
Von Manfred Spitzer im Text Risiken und Nebenwirkungen digitaler Informationstechnik (2016) Es gibt Studien, in denen gezeigt werden konnte: Allein schon wenn das Handy auf dem Tisch liegt, können sich die Schüler schlechter konzentrieren und viele Dinge nicht mehr aus dem Gedächtnis abrufen, weil sie das Gefühl haben, sie könnten das ja gleich nachschauen.
Von Elsbeth Stern im Text «Lerndefizite aufgrund von Corona lassen sich aufholen» (2021) Die Mobilität der modernen Gadgets (ver-)
führt viele Menschen, nicht nur junge, dazu, sie
zu internalisieren und zu einem Ersatz- oder Zusatzorgan
werden zu lassen. Ich brauche mein
Gedächtnis nicht, ich habe ja Google. Das nährt
die zeittypische Abspeichern-und-abrufen-Gesinnung.
Von Eduard Kaeser in der Zeitschrift Bildungsbeilage WOZ 2012 (2012) im Text Eine Handvoll Trivialitäten Es stimmt: Die generelle Behauptung, Internetkonsum oder gar Google verdumme den Menschen, ist hoffnungslos unproduktiv und macht das Netz zu einer Art Fernseher mit Tastatur. Wer sich einmal nach den Gründen der allgemeinen Zerstreutheit umhört, findet selbst unter den Informations-Gurus viele, die ihre Überforderung eingestehen, und unter den Informations-Kritikern keinen Einzigen, der die neuen Technologien infrage stellen würde.
Von Frank Schirrmacher im Buch Payback (2009) Digitale Medien erledigen
geistige Arbeit für uns und nehmen uns das Denken
ab, ähnlich wie uns das Auto körperliche Arbeit
abnimmt. Als Neurowissenschaftler weiss ich,
dass man völlig ausschliessen kann, dass das keine
Auswirkungen auf das Gehirn hätte. Genauso wie
unser Körper durch die passive Lebensweise nun
auf Joggen und Fitness-Center angewiesen ist, ist
auch das Gehirn ein dynamisches Organ, das bei
ausbleibendem Input verfällt.
Von Manfred Spitzer im Text Der Compi macht dumm Viele Menschen arbeiten mit digitalen Helfern, weil diese uns geistige Arbeit abnehmen – so wie uns Rolltreppen, Fahrstühle und Autos körperliche Arbeit abnehmen. Die Folgen mangelnder körperlicher Tätigkeit für Muskulatur, Herz und Kreislauf sind bekannt. Ähnlich verhält es sich mit unserem Geist. Wer ein Navigationsgerät im Auto hat, lagert das Navigieren aus seinem Gehirn aus. Deshalb haben viele Menschen verlernt, sich mit Karte und ihrem gehirneigenen Navigationsmodul zu orientieren.
Von Manfred Spitzer im Text Digitale Demenz (2012) Der Umstand, dass wir uns heute Fakten
schlechter merken, wenn wir wissen, dass wir sie mit
Google jederzeit im Internet nachschlagen können, muss
nicht in einen Abgesang auf die gesunde Gehirnentwicklung
münden. Zumindest gibt es auch die sozialpsychologische
Erklärung, dass wir das Internet schlicht als transaktionalen
Gedächtnispartner behandeln, ebenso wie wir
das in Gruppen und Paarbeziehungen tun, wo Gedächtnisleistungen
oft delegiert werden und sich nicht alle alles
merken müssen (Sparrow/Liu/Wegner 2011).
Von Nicola Döring in der Zeitschrift Der Bürger im Staat 4/2014 im Text Psychische Folgen der Internetnutzung (2014) Gemäss einigen Expert:innen
zeichnen sich beim Erinnerungsvermögen
bereits Veränderungen ab.
Zum Beispiel der sogenannte Google-
Effekt: Dieser Begriff geht auf eine
Versuchsreihe an der amerikanischen
Columbia University zurück und beschreibt,
dass wir Informationen
schneller vergessen, wenn wir wissen,
dass wir im Internet rasch auf sie zurückgreifen
können. Statt dass wir uns
die Mühe machen, Informationen abzuspeichern,
lagern wir diese aus, um
die kognitiven Anstrengungen einer
Aufgabe zu reduzieren. Expert:innen
nennen das «kognitives Offloading» –
eigentlich ein alter Mechanismus.
Von Ursina Haller im Text Wie viele Telefonnummern können Sie noch auswendig? (2022) Sicher: Was man nicht mehr übt, beherrscht
man weniger gut. Aber die
zentrale Frage lautet doch: Welche Fähigkeiten
benötigen wir in unserer
heutigen Informationsgesellschaft? Als
der Taschenrechner in der Schule
Einzug
hielt, hiess es, die Schüler
beherrschten
das Kopfrechnen nicht
mehr. Auch heute lernt man in der
Schule noch Kopfrechnen, man zieht
bloss an einem gewissen Punkt eine
Grenze. Darüber hinaus muss man
Dinge nicht mehr im Kopf ausrechnen
können, weil das im Alltag nicht mehr
wichtig ist. Dafür müssen wir heute
andere Dinge lernen. Es findet also
lediglich
eine Verschiebung statt.
Von Beat Döbeli Honegger in der Zeitschrift Schulblatt 5/2013 im Text 'Die digitalen Medien werden den Unterricht nicht revolutionieren' (2013) Alle Maschinen ersetzen menschliche Handlungen bzw. verstärken sie, was zur Folge hat, dass der menschliche Handlungsanteil reduziert wird. Der Mensch muss seinen Willen weniger oder gar nicht mehr anstrengen. Am deutlichsten sichtbar ist das bei den Kraftmaschinen: »Die Maschine tut« und der Mensch überwacht bloß noch deren Tätigkeit; sein Leib ist dabei weitgehend passiv. Auch im Umgang mit Computern ist dies der Fall, beispielsweise bei der Nutzung des Navigationsgerätes. Der Mensch lässt sich gedankenlos von dem Gerät »sagen«, wie er fahren soll; auf Dauer wird seine Fähigkeit, sich selbst zu orientieren, schwächer, da er sie nicht mehr ausübt.
Von Edwin Hübner im Buch Digitale Medien und Unterricht: Eine Kontroverse (2019) im Text Entwicklungsorientierte Medienpädagogik im Zeitalter der verschwindenden Schrift Platons Sorge war, dass etwas, das ausgelagert wird, erstarrt und dann für uns fremd und tot ist. Das lebendige Wissen ist für ihn das, was jederzeit in einem Gespräch, in einer sozialen Situation aktualisiert werden kann. Natürlich sind die enormen Speicher-, Archivierungs- und Recherchemöglichkeiten im Internet großartig, und sie werden viel zu wenig genutzt. Aber ein Körnchen Wahrheit steckt in dieser platonischen Skepsis. Jeder ist heute ständig darauf angewiesen, immer irgendwo nachzuschauen, schnell etwas zu googeln und zu nehmen, was ihm die Algorithmen, denen blind vertraut wird, bieten. Wir haben aber immer weniger im Kopf, und das Wissen hinterlässt auch keine Spuren mehr in unserer Seele.
Von Konrad Paul Liessmann im Text «Wir haben immer weniger im Kopf» (2017) Das Internet ist ein riesiger Wissensspeicher. Immer häufiger verlassen sich Nutzer auf seine Informationen statt auf das eigene Gedächtnis. Wir »outsourcen« Informationssuche, Gedächtnis und andere kognitive Fähigkeiten. Die meisten von uns sind nicht mehr in der Lage, sich lange Gedichte oder Geschichten einzuprägen, genauso wie wir mit der Einführung des Taschenrechners das Kopfrechnen verlernt haben. Die digitalen Medien werden diesen Prozess noch verstärken. In der besten aller Welten werden sich Geist und Medien gegenseitig befruchten und sich immer besser aneinander anpassen. Durch die neuen Fähigkeiten werden neue Werkzeuge geschaffen, die ihrerseits die Entwicklung neuer Fähigkeiten anregen und so fort.
Von Gerd Gigerenzer im Buch Risiko (2013) im Text Die Schule revolutionieren The outsourcing of our memory to machines expands the amount of data to which we have access, but degrades our brain’s own ability to remember things. Yet this process of offloading our remembered information began with the invention of text, and met with similar critique even back then. We have been consistently using our brains less as hard drives and more as processors - putt ing our mental resources into active RAM. What’s diff erent now, however, is that it’s not just lists, dates, and recipes that are being stored for us, but entire processes. The processes we used to use for finding a doctor or a friend, mapping a route, or choosing a restaurant are being replaced by machines that may, in fact, do it bett er. What we lose in the bargain, however, is not just the ability to remember certain facts, but to call upon certain skills.
Von Douglas Rushkoff im Buch Program or Be Programmed (2010) im Text Time auf Seite 33We encode a way of doing something and if the
computer is capable of accomplishing that task, we never need
to know how it happens again. It’s a bit like doing arithmetic
by algorithm, which most of us learned for calculating square
roots and long division. We learn how to push the numbers through a series of rote steps to get our answer, but forget
how or why it really works. Now we’re having our computers
remember those processes, which removes us one step further
from whatever is going on. So instead of simply offloading our
memory to external hard drives, we’re beginning to offload
our thinking as well. And thinking is not like a book you can
pick up when you want to, in your own time. It is something
that’s always on. Are we choosing to surrender the ability to do
it without digital assistance? If so, are we prepared to remain
connected to our networks all the time? What new ability, if
any, are we making room for in the process?
Von Douglas Rushkoff im Buch Program or Be Programmed (2010) im Text Time auf Seite 33Erwähnungen auf anderen Websites im Umfeld von Beat Döbeli Honegger
Website | Webseite | Datum |
---|---|---|
Argumente gegen das Digitale in der Schule | DelegationsArgument | 06.02.2013 |
Zitationsgraph
Zitationsgraph (Beta-Test mit vis.js)
Zeitleiste
33 Erwähnungen
- Payback - Warum wir im Informationszeitalter gezwungen sind zu tun, was wir nicht tun wollen, und wie wir die Kontrolle über unser Denken zurückgewinnen (Frank Schirrmacher) (2009)
- Program or Be Programmed - Ten Commands for a Digital Age (Douglas Rushkoff) (2010)
- 1. Time - Do Not Be Always On
- Google Effects on Memory - Cognitive Consequences of Having Information at Our Fingertips (Betsy Sparrow, Jenny Liu, Daniel M. Wegner) (2011)
- Media and Memory (Joanne Garde-Hansen) (2011)
- The Digital Divide - Arguments for and Against Facebook, Google, Texting, and the Age of Social Networking (Mark Bauerlein) (2011)
- Is Google Making Us Stupid? - What the Internet is doing to our brains (Nicholas G. Carr) (2008)
- Digitale Demenz - Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (Manfred Spitzer) (2012)
- 2. Wo bin ich?
- 4. Im Gehirn speichern oder auslagern in die Wolke?
- Digitale Demenz - Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (Manfred Spitzer) (2012)
- Ein grober Keil auf einen groben Klotz (Michael Hanfeld) (2012)
- Bildungsbeilage WOZ 2012 - Mobile Learning (2012)
- Eine Handvoll Trivialitäten - Lernen im Zeitalter von Web 2.0 (Eduard Kaeser)
- Macht uns der Computer dumm? (Conny Schmid, Balz Ruchti, Rebecca Wyss) (2012)
- Zeitpunkt 122 (2012)
- Der Compi macht dumm (Manfred Spitzer, Johannes Pernsteiner)
- Zukunft des Lernens (Edith Blaschitz, Gerhard Brandhofer, Christian Nosko, Gerhard Schwed) (2012)
- Von analog zu digital - Die neuen Herausforderungen für die Schule (Nando Stöcklin)
- Risiko - Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (Gerd Gigerenzer) (2013)
- Die berechnete Welt - Leben unter dem Einfluss von Algorithmen (Nora S. Stampfl) (2013)
- Schulblatt 5/2013 (2013)
- 'Die digitalen Medien werden den Unterricht nicht revolutionieren' (Beat Döbeli Honegger, Jacqueline Olivier) (2013)
- The Glass Cage - Automation and Us (Nicholas G. Carr) (2014)
- Der Bürger im Staat 4/2014 - Politik und Internet (2014)
- Does the Internet Make Us Stupid? - Yes, but this may not be as bad as it sounds... (Hermann Maurer) (2015)
- Denkcodes - Wie die Informatik menschliches Verhalten verändert hat. Und wie sie dies künftig tun wird. (Themendossier Schweizer Monat 5/16) (2016)
- Mehr Hirn, bitte! (Gerald Hüther) (2016)
- Risiken und Nebenwirkungen digitaler Informationstechnik (Manfred Spitzer) (2016)
- Wie viel ICT braucht die Schule? (Fabrice Müller) (2017)
- «Wir haben immer weniger im Kopf» (Konrad Paul Liessmann, Lisa Nimmervoll) (2017)
- Technologie in unseren Schulen schadet mehr, als sie nützt (Ralf Lankau, Torsten Engelbrecht) (2017)
- Weshalb uns das Internet nicht schlauer macht (Michael Furger) (2017)
- Digitale Medien und Unterricht: Eine Kontroverse (Paula Bleckmann, Ralf Lankau) (2019)
- Digitalisierung im Schulzimmer (Philippe Wampfler, Manfred Spitzer) (2019)
- Bring-Your-Own-Device am Gymnasium - Eine Gegenüberstellung von Pro und Kontra (Andrin Schmid) (2021)
- «Lerndefizite aufgrund von Corona lassen sich aufholen» (Elsbeth Stern, Nadja Pastega) (2021)
- Wie viele Telefonnummern können Sie noch auswendig? - Was Smartphones mit unserer Erinnerung machen. (Nicht nur Schlechtes!) (Ursina Haller) (2022)
- Education for the Age of AI (Charles Fadel, Alexis Black, Robbie Taylor, Janet Slesinski, Katie Dunn) (2024)
- ChatGPT als Heilsbringer? - Über Möglichkeiten und Grenzen von KI im Bildungsbereich (Klaus Zierer) (2024)