Verstärker-These |
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Von Justin Reich im Buch Failure to Disrupt (2020) im Text The Edtech Matthew Effect
Digitale Medien können extrem
mächtige Verstärker sein – von Selbstbestimmung, Kreativität und Zusammenarbeit beim Lernen,
aber auch von Kontrolle, Überwachung und Entmündigung.
Von Jöran Muuß-Merholz im Text Schule nach der Digitalisierung (2020) Jöran Muuß-Merholz hat verschiedentlich darauf hingewiesen, dass digitale Medien schlicht nur die bestehende Lernkultur verstärken könnte: Wer eher behaviouristisch unterwegs ist, wird bewusst oder unbewusst die entsprechenden Potenziale des Digitalen nutzen, um dies zu verstärken - wer konstruktivistisch unterwegs ist genau so.
Von Beat Döbeli Honegger, erfasst im Biblionetz am 06.11.2020Insbesondere Jöran Muuß-Merholz betont mit der Verstärker-These die Möglichkeit, dass digitale Medien schlicht nur die bestehende Lernkultur verstärken könnten: Wer eher behavioristisch unterwegs sei, würde bewusst oder unbewusst die entsprechenden Potenziale des Digitalen nutzen, um dies noch zu verstärken – wer konstruktivistisch unterwegs ist, ebenso (Muuß-Merholz 2020).
Von Beat Döbeli Honegger in der Zeitschrift Pädagogik 05/2021 im Text Was machen wir mit der Digitalisierung? (2021) Durch digitale Medien verändern sich Lernen und Schulen
nicht per se in eine bestimmte Richtung. Es ist nicht so, dass
man digitale Medien in das Gefäß Schule hineingießen und
dann bestimmte Veränderungen als direkte Effekte erwarten
könnte. Lernen wird durch digitale Medien nicht automatisch
einfacher oder individueller oder effektiver oder unpersönlicher.
Schulen werden durch digitale Medien nicht automatisch
moderner oder demokratischer oder effizienter oder
inklusiver. Vielmehr gilt: Digitale Medien können als extrem
mächtige Verstärker fungieren. Sie verstärken nicht allgemein
eine bestimmte Richtung, sondern im jeweiligen Kontext vorhandene
Muster, Tendenzen, Ziele und Interessen.
Von Jöran Muuß-Merholz in der Zeitschrift Pädagogik 7/024 (2024) im Text Der doppelte Genitiv der digitalen Bildung Evaluationen zeigen, dass Digitalisierung oft
bisherige pädagogische Überzeugungen verstärkt:
Wer ein eher konstruktivistisches Lehr- und Lernverständnis hat, wird in der Digitalisierung vielfältige Potenziale sehen, Lehr- und Lernprozesse kreativer und sozialer zu gestalten, sodass Lernende ihre
Kompetenzen gemeinsam erweitern können. Wer ein
eher behavioristisches Lehr- und Lernverständnis
hat, wird sich über die zahlreichen Möglichkeiten
freuen, mit denen der Computer Verhaltensdaten
von Lernenden erfassen und damit ein möglichst
umfassendes Datenabbild von Lernenden erstellen
kann. Aufgrund dieser Daten sollen Lehrpersonen
oder im Idealfall sogar der Computer selbst den Lernenden passende weitere Übungen und Lerninhalte
vorschlagen und so das individualisierte Lernen fördern.
Von Beat Döbeli Honegger in der Zeitschrift fokus 1/2022 im Text Digidaktik oder Datadaktik? (2022) Durch digitale Medien wird nicht automatisch eine bestimmte Richtung verstärkt. Vielmehr sind sie Verstärker für bereits vorhandene Muster:
Von Jöran Muuß-Merholz in der Zeitschrift Lernende Schule 91/2020 (2020) im Text Trojaner, Katalysator oder Verstärker? - eine traditionelle Schule, die auf Lehrerzentrierung und Belehrung, isoliertes Lernen und festliegende Ergebnisse hin orientiert ist, kann diese Ausrichtung mit digitalen Medien verstärken und optimieren.
- eine progressive Schule, die die Lernenden stärken, forschendes und problemorientiertes Lernen unterstützen, Perspektive und Kontext berücksichtigen, Austausch und persönlichen Sinn ermöglichen will, kann ihre Ziele mit digitalen Medien besser erreichen.
Viele Studien weisen darauf hin, dass Lehrpersonen mit unterschiedlichen Überzeugungsausprägungen (zumeist transmissive versus konstruktivistische Orientierungen) dazu neigen, digitale Medien in ihrem Unterricht auf unterschiedliche Art und Weise einzusetzen (Chai, 2010; Cviko, McKenney & Voogt, 2012; Hennessy, Ruthven & Brindley, 2005; Hermans, Tondeur, van Braak & Valcke, 2008; Higgins & Moseley, 2001; Lim & Chai, 2008; Lin, Wang & Lin, 2012; Mama & Hennessy, 2013; Tondeur et al., 2007; Vanderlinde, van Braak & Tondeur, 2010). Schon frühe Untersuchungen in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts wie z.B. diejenige von Hadley und Sheingold (1993) oder Becker (1994) wiesen auf den Zusammenhang zwischen Überzeugungen von Lehrpersonen und der Rolle von digitalen Medien in ihrem Unterricht hin: Lehrpersonen mit konstruktivistisch orientierten Überzeugungen tendierten dazu, digitale Technologien zur Unterstützung von schülerzentriertem Unterricht zu nutzen, während Lehrpersonen mit eher transmissiv orientierten Überzeugungen digitale Medien zur Unterstützung eines lehrerzentrierten Unterrichts einsetzten. Diese Ergebnisse konnten in neueren Studien vielfach repliziert worden (Ertmer & Ottenbreit-Leftwich, 2013; Ertmer et al., 2012; Hermans et al., 2008; Palak & Walls, 2009).
Von Daniela Knüsel in der Dissertation Überzeugungen von Lehrpersonen zu digitalen Medien (2020) im Text Berufsbezogene Überzeugungen von Lehrpersonen auf Seite 46Bemerkungen
We found that wikis were more likely to be created in schools serving affluent neighborhoods, and the wikis created in those affluent schools were used for longer periods of time with greater opportunities for student involvement. Wikis created in schools serving low-income families were more likely to be used for teacher-centered content delivery, and they fell into disuse more quickly.
Von Justin Reich im Buch Failure to Disrupt (2020) im Text The Edtech Matthew Effect Digitale Medien können also als Verstärker für unterschiedliche
Richtungen wirken. Das gilt auch dort, wo sich die
Akteure über diese Richtungen gar nicht im Klaren sind oder
sich heraushalten wollen. Dann wird das verstärkt, was implizit
vorhanden ist oder von anderen Akteuren betrieben wird.
Der viel beschworene »Digitalisierungsschub« ist nicht neutral.
Wer nicht nur getrieben, geschoben und geschubst werden
will, muss sich Gedanken über die Gestaltung der eigenen
Richtung machen – das gilt für uns als individuelle Menschen,
für einzelne Schulen und das ganze Schulsystem, ja sogar für
eine Gesellschaft.
Von Jöran Muuß-Merholz in der Zeitschrift Pädagogik 7/024 (2024) im Text Der doppelte Genitiv der digitalen Bildung Digitale Medien können also als Verstärker für ganz unterschiedliche Richtungen wirken. Von entscheidender Bedeutung ist: Das gilt auch dort, wo sich die Akteure über diese Richtungen gar nicht im Klaren sind bzw. sich nicht einmal Fragen nach der Richtung stellen. Dann wird das verstärkt, was implizit vorhanden ist oder von anderen Akteuren getrieben wird. Der „Digitalisierungsschub“ ist nicht neutral. Wer nicht nur getrieben, geschoben und geschubst werden will, muss sich Gedanken über die eigene Richtung machen – das gilt für uns als individuelle Menschen, für einzelne Schulen und das ganze Schulsystem, ja sogar für eine Gesellschaft.
Von Jöran Muuß-Merholz im Text Die Digitalisierung der Schule - wer gestaltet welche Veränderung (2021) Des Weiteren liegen einzelne Studien vor, die darauf hinweisen, dass spezifische Überzeugungen mit spezifischen Arten des Einsatzes digitaler Technologien einhergehen. So stellten Dwyer (1994) und Ringstaff, Yocam und Marsh (1996) fest, dass die Nutzung verschiedener Lernprogrammtypen mit unterschiedlichen Unterrichtsvorstellungen einherging. Konstruktivistisch orientierte Lehrpersonen verwendeten in ihrem Unterricht eher offene Recherchesysteme, während Lehrpersonen mit transmissiv orientierten Überzeugungen deutlich häufiger sogenannte Drill-and-Practice-Programme einsetzten. Auch neuere Studien gelangten zu ähnlichen Ergebnissen (Martin & Vallance, 2008; Niederhauser & Stoddart, 2001; Lim & Chan, 2007; Pedersen & Liu, 2003). Einzelne Studien verweisen zudem darauf, dass Lehrpersonen mit transmissiv orientierten Überzeugungen digitale Medien nicht nur lehrerzentrierter, sondern auch seltener einsetzen als Lehrpersonen mit konstruktivistisch orientierten Überzeugungen, da sie im Einsatz der Technologien keinen Nutzen für ihren Unterricht sehen (Donnelly, McGarr & O’Reilly, 2011; Lim & Chan, 2007). Beim Prozess der Integration von digitalen Medien in den Unterricht werden konstruktivistisch orientierte Überzeugungen entsprechend als Wegbereiter (Enabler) angesehen, während transmissiv orientierten Überzeugungen eher eine Barrierefunktion zugeschrieben wird.
Von Daniela Knüsel in der Dissertation Überzeugungen von Lehrpersonen zu digitalen Medien (2020) im Text Berufsbezogene Überzeugungen von Lehrpersonen auf Seite 47In der pädagogischen Forschung werden beliefs auf der Grundlage pädagogischer
Überzeugungen zumeist in zwei Orientierungen unterteilt, und zwar in eine konstruktivistische
(oder auch schülerzentriert genannte) und in eine transmissionsorientierte
(auch rezeptiv oder instruktional genannte) Orientierung (Diedrich/
Thusbas/Klieme 2002; Leuchter et al. 2006; Staub/Stern 2002). Wie wir weiter
oben beschrieben haben, findet sich diese Unterscheidung auch in der medienbezogenen
Forschung wieder. Das ist kein Zufall. Im Gegenteil kann davon
ausgegangen werden, dass solche generellen pädagogischen beliefs die spezielleren
Überzeugungen und Einstellungen zur Nutzung digitaler Medien im Unterricht
stark beeinflussen.
Beispielsweise sehen Lehrpersonen mit einer stärker instruktionalen Orientierung bzw. einer Transmissionsorientierung die Vorteile digitaler Medien vor allem bei der Veranschaulichung von Lehrinhalten oder dem Einsatz von Lernprogrammen zum Einüben von Fertigkeiten. Dies entspricht ihren pädagogischen Vorstellungen, nach denen der Aufbau von Fertigkeiten der Schülerinnen und Schüler nach einer bestimmten vorgegebenen Schrittfolge ablaufen und von der Lehrperson gesteuert und kontrolliert werden sollte. Gleichzeitig haben instruktional orientierte Lehrpersonen oft auch größere Bedenken bezüglich negativer Konsequenzen des Medieneinsatzes, wie beispielsweise eine Ablenkung der Schüler und einen Verlust an Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten, was sich nach ihren Vorstellungen negativ auf die Lernergebnisse bei den Schülerinnen und Schülern auswirkt.
Solche Bedenken haben konstruktivistisch orientierte Lehrpersonen weniger, da sie sowohl die veränderte Rollenverteilung mit einer stärkeren Steuerung des Lernprozesses durch die Schülerinnen und Schüler als auch die sich nun stärker individuellen und damit vielfältigeren Lernwege als Chance sehen. Pädagogische, epistemologische und die damit verbundenen medienbezogenen Überzeugungen prägen also maßgeblich, mit welchen Zielstellungen und in welcher didaktischen Lernumgebung digitale Medien aus Sicht der Lehrperson sinnvoll eingesetzt werden können.
Von Heike Schaumburg, Doreen Prasse im Buch Medien und Schule im Text Rahmenbedingungen der (digitalen) Medienintegration in Schulen (2018) auf Seite 238Beispielsweise sehen Lehrpersonen mit einer stärker instruktionalen Orientierung bzw. einer Transmissionsorientierung die Vorteile digitaler Medien vor allem bei der Veranschaulichung von Lehrinhalten oder dem Einsatz von Lernprogrammen zum Einüben von Fertigkeiten. Dies entspricht ihren pädagogischen Vorstellungen, nach denen der Aufbau von Fertigkeiten der Schülerinnen und Schüler nach einer bestimmten vorgegebenen Schrittfolge ablaufen und von der Lehrperson gesteuert und kontrolliert werden sollte. Gleichzeitig haben instruktional orientierte Lehrpersonen oft auch größere Bedenken bezüglich negativer Konsequenzen des Medieneinsatzes, wie beispielsweise eine Ablenkung der Schüler und einen Verlust an Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten, was sich nach ihren Vorstellungen negativ auf die Lernergebnisse bei den Schülerinnen und Schülern auswirkt.
Solche Bedenken haben konstruktivistisch orientierte Lehrpersonen weniger, da sie sowohl die veränderte Rollenverteilung mit einer stärkeren Steuerung des Lernprozesses durch die Schülerinnen und Schüler als auch die sich nun stärker individuellen und damit vielfältigeren Lernwege als Chance sehen. Pädagogische, epistemologische und die damit verbundenen medienbezogenen Überzeugungen prägen also maßgeblich, mit welchen Zielstellungen und in welcher didaktischen Lernumgebung digitale Medien aus Sicht der Lehrperson sinnvoll eingesetzt werden können.
Verwandte Objeke
Verwandte Begriffe (co-word occurance) |
Häufig erwähnende Personen
Häufig co-zitierte Personen
Götz
Bieber
Bieber
Statistisches Begriffsnetz
8 Vorträge von Beat mit Bezug
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Bildungsrat des Kantons Zug, 23.06.2021 - Mehr als 0 und 1?
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Netzwerktreffen Digitalisierung, Schweizer Stiftungen, 20.10.2021 - Digidaktik oder Datadaktik
Was machen wir mit der Digitalisierung an den Schulen?
GDI Rüschlikon, 22.03.2022 - Gedanken zu neuen, neuen Lernwelten
Begegnungstag, hep Verlag, 26.03.2022 - Mehr als 0 oder 1?
Ausgabe 2023
CAS Digital Leadership in Education, PHZH, 08.07.2022 - «Nach der Lektüre des Buches ist das leider nicht besser geworden»
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Einträge in Beats Blog
Zitationsgraph
Zeitleiste
13 Erwähnungen
- Bildung und Digitalisierung - AUS POLITIK UND ZEITGESCHICHTE (APUZ 27-28/2019) (2019)
- Überzeugungen von Lehrpersonen zu digitalen Medien - Eine qualitative Untersuchung zu Entstehung, Bedingungsfaktoren und typenspezifischen Entwicklungsverläufen (Daniela Knüsel) (2020)
- Schule nach der Digitalisierung - eine Zeitreise ins Jahr 2040 (Jöran Muuß-Merholz) (2020)
- Failure to Disrupt - Why Technology Alone Can’t Transform Education (Justin Reich) (2020)
- Lernende Schule 91/2020 (2020)
- Trojaner, Katalysator oder Verstärker? - Was die Digitalisierung mit der Schule macht – und umgekehrt (Jöran Muuß-Merholz)
- Die Digitalisierung der Schule - wer gestaltet welche Veränderung (Jöran Muuß-Merholz) (2021)
- Pädagogik 05/2021 (2021)
- Digitalisierung aus pädagogische Perspektive (2021)
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- Lernen - personalisiert & digital (2022)
- digi.kompP - Digitale Kompetenzen für personalisiertes Lernen (Gerhard Brandhofer) (2022)
- Pädagogik 7/024 - Diversitätssensible Schule (2024)