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Vorratsdatenspeicherung

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iconSynonyme

Vorratsdatenspeicherung, VDS

iconDefinitionen

Die Vorratsdatenspeicherung ist zentraler Bestandteil des neuen Nachrichtendienstgesetzes (NDG). Sie verpflichtet sämtliche Anbieter von Post-, Telefon- und Internetdiensten, das Kommunikationsverhalten ihrer KundInnen aufzuzeichnen und für sechs Monate zu speichern. Zuständig für die Vorratsdatenspeicherung ist der Dienst für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs
Von Jan Jirát, Donat Kaufmann, Christoph Laszlo, Hernani Marques, Arian Sanusi im Text Eine kurze Anleitung zur digitalen Selbstverteidigung (2017)

iconBemerkungen

Überwachung totalDer Bundestag verabschiedete im November 2007 ein Gesetz, mit dem die EU-Richtlinie umgesetzt wurde. Die deutschen Anbieter von Telekommunikations- und Internetdiensten wurden dazu verpflichtet, sämtliche Verkehrsdaten sechs Monate auf Vorrat zu speichern und diese im Bedarfsfall Strafverfolgungsbehörden, mit Aufgaben der Gefahrenabwehr betrauten Behörden – auch Nachrichtendiensten – zur Verfügung zu stellen.
Ich hatte als damaliger Bundesbeauftragter für den Datenschutz die Vorratsdatenspeicherung von Anfang an als einen unverhältnismäßigen und damit verfassungswidrigen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kritisiert. Durch die anlasslose, längerfristige Speicherung aller Telefon-, E-Mail- und Internet-Verkehrsdaten werde das gesamte Telekommunikationsverhalten aller Bundesbürger erfasst. Dabei seien die von der Speicherung Betroffenen ganz überwiegend völlig unverdächtige Personen, von denen keine konkreten Gefahren ausgingen. Mit diesen Daten ließen sich weitreichende Sozial- und Bewegungsprofile bilden.
Von Peter Schaar im Buch Überwachung total (2014)
Überwachung totalDas (vorläufige) Aus für die Vorratsdatenspeicherung brachte ein am 8. April 2014 verkündetes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Das Gericht erklärte die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für nicht vereinbar mit der EU-Grundrechtecharta. Bereits im Dezember 2013 hatte der Generalanwalt beim EuGH, Pedro Cruz Villalón, in seinem Plädoyer darauf hingewiesen, dass die vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon formulierte Richtlinie gegen die europäischen Grundrechte verstoße, da sie in besonderer Weise in das Recht auf Achtung des Privatlebens eingreife und deshalb geändert werden müsse. Zur Überraschung vieler Beobachter gingen die Richter sogar deutlich über das Votum des Generalanwalts hinaus. Die Regelungen verstießen so eklatant gegen die Grundrechtecharta, dass die Richtlinie ungültig sei. Das Urteil war aus zwei Gründen bemerkenswert. In der Substanz bestätigt der EuGH die Kritiker der Vorratsdatenspeicherung: Die generelle, anlasslose Speicherung von Telekommunikationsdaten ist weder mit dem Grundrecht auf Achtung des Privatlebens noch mit dem Grundrecht auf Datenschutz vereinbar. Die Meta-Botschaft lautete: Der EuGH versteht sich als Hüter der in der Europäischen Grundrechtecharta garantierten Bürgerrechte und korrigiert den europäischen Gesetzgeber, wenn er die durch die Charta gezogenen Grenzen überschreitet.
Von Peter Schaar im Buch Überwachung total (2014)
Überwachung totalDas Bundesverfassungsgericht erklärte in seinem Urteil vom 2. März 2010170 die gesetzlichen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig und dementsprechend nichtig. Das Gericht ließ den Befürwortern der Vorratsspeicherung aber ein Schlupfloch. Eine anlasslose Speicherung von personenbezogenen Daten über einen Zeitraum von sechs Monaten auf Vorrat sei nicht unter allen Umständen verfassungswidrig. Sie ist nur dann strikt verboten, wenn sie zu unbestimmten Zwecken erfolgt. Eine verfassungsgemäße Umsetzung der europäischen Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung wäre somit zwar prinzipiell möglich, aber nur unter sehr strengen Anforderungen. Das Gericht lieferte dazu gleich eine »Gebrauchsanleitung«: Darüber hinaus verlangte das Gericht, dass die Verwendung der Vorratsdaten strikt begrenzt wird. Insbesondere dürfen die Vorratsdaten nur zum Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter verwendet werden, etwa zur Verfolgung schwerer Straftaten, die in einem abschließenden Katalog festzulegen sind. Zur polizeilichen Gefahrenabwehr und durch Nachrichtendienste ist eine Nutzung nur bei »tatsächlichen Anhaltspunkten einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut« – etwa Leib und Leben einer Person – verfassungsrechtlich zulässig. Auch wenn die massenhafte, anlasslose Speicherung von Telekommunikationsdaten unter Beachtung der vom Gericht formulierten Vorgaben verfassungsrechtlich vertretbar wäre, bedeutet dies im Umkehrschluss nicht etwa, dass der Bundestag einen derartig weitreichenden Eingriff in die Grundrechte vornehmen müsste. In diesem Zusammenhang ist der Hinweis des Gerichts zu beachten, dass das Verbot einer Totalüberwachung zur »verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland« gehört.
Von Peter Schaar im Buch Überwachung total (2014)

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