
Die Wiki-Grundidee ist im Kern wohl noch unbegriffen. Wie viele bahnbrechenden
Erfindungen zuvor wird sie zwar beflissen genutzt, in ihren Dimensionen
aber noch nicht erkannt. Das Kürzel «Wiki» meint mehr als die gleichnamige Enzyklopädie:
Es steht für ein radikal neues Verfahren, zu schreiben und schreibend
Wissen zu generieren, für die Wirklichkeit gewordene Vision der kollaborativen
Kreation. Was das Internet in den letzten Jahrzehnten für die Darstellung und
Verbreitung des menschlichen Wissens war, kann die Wiki-Idee für den Prozess
von dessen Generierung werden. Dies beginnt damit, dass mit Wiki einige für die
abendländische Geistesgeschichte grundlegende Begriffe wie «Autor/Autorin»,
«Text», «Lesen» und «Schreiben» revidiert werden müssen. So hat der eine Autor
als alleiniger Schöpfer des Texts abgedankt; statt seiner bemächtigt sich ein namenloses
Kollektiv der Urheberschaft, das sich fortlaufend erweitern und erneuern
kann. Auch ist der Text grundsätzlich nie vollendet; vielmehr wird er immer
weiter geschrieben, aktualisiert und vernetzt. Und schließlich ist das Lesen kein
blindes Nachvollziehen eines abgeschlossenen Produkts mehr, sondern grundsätzlich
der erste Schritt zu dessen Optimierung.