
„Bildung ist mehr als Lernen!“ lautet das Motto auf einem großen Stoffbanneran einer Hamburger Grundschule, an der ich jeden Tag auf dem Weg zur Ar-beit -vorbeifahre. Lange habe ich mir Gedanken darüber gemacht, was wohl ge-meint sei. Es war nicht leicht, dahinterzukommen. Denn wenn mit Bildungeine erworbene (und nicht angeborene oder genetisch fixierte) Eigenschaft ei-nes Individuums gemeint ist („X ist gebildet“, „Y hat Bildung“), kann sie nurals Ergebnis von Lernen – einer Tätigkeitsform – entstanden sein. Wenn wir„Bildung“ also nicht als etwas von der Biologie Gegebenes oder durch gesell-schaftliche Autoritäten Verliehenes verstehen wollen, und wenn wir es gleich-zeitig mit dem Begriff des Lebenslangen Lernens ernst meinen, dann müsste,wenn überhaupt, umgekehrt formuliert werden: Lernen ist mehr als Bildung.Denn die Operationsweise (Lernen) muss das Ergebnis (Bildung) immer als nurvorläufiges, als einen jederzeit und laufend zu überbietenden Zustand der per-sönlichen Entwicklung entwerten. Fertiges – und auch das nur als Abgebroche-nes, nicht Vollendetes – kann es nur dann geben, wenn Lernen endet, also mitdem Tod. Bildung als Ergebnis von Lernen ist immer konkret, abstrakte Bil-dung kann es nicht geben. Also kann es nur mehr oder weniger Bildung geben,aber nicht: Bildung oder Nichtbildung.