Pygmalion-Effekt
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Definitionen
Von Rosenthal eingeführte Bezeichnung für die Beeinflussung des (Leistungs-) Verhaltens von Schülern durch (Leistungs-) Erwartungen bzw. Vorurteile des Lehrers im Sinne eines Versuchsleiter-Erwartungseffektes.
Von Werner D. Fröhlich im Buch Wörterbuch Psychologie Wenn ich einen Menschen für sehr begabt halte, widme ich ihm besondere Aufmerksamkeit, um sein Potential zu fördern. Wenn er sein Potential dann voll entfaltet, habe ich das Gefühl, daß meine ursprüngliche Einschätzung richtig war, und ich unterstütze ihn weiterhin. Im Gegensatz dazu siechen die Leute, die ich für weniger begabt halte, unter meiner Mißachtung und Unaufmerksamkeit dahin, zeigen wenig Interesse an der Arbeit und rechtfertigen damit - in meinen Augen - die geringe Aufmerksamkeit, die ich ihnen widme.
Von Peter M. Senge im Buch The Fifth Discipline (1990) im Text Die fünfte Disziplin auf Seite 103Bemerkungen
Die hier zitierten Einzelstudien und Metaanalysen machen insgesamt deutlich, dass das erwartungsgesteuerte
Verhalten der LehrerInnen die schulischen Leistungen beeinträchtigen
kann. Dies gilt insbesondere für Verhaltensweisen, die das sozioemotionale Klima im Klassenzimmer
prägen (wie etwa lächeln oder körperliche Nähe/Distanz) oder die Art und
Weise der Unterrichts- bzw. Aufgabengestaltung (Unterrichtsstil und Einsatz anspruchsvollen
Materials)
Von Kira Alexander, Janet Ward Schofield im Buch Migrationshintergrund, Minderheitenzugehörigkeit und Bildungserfolg (2006) im Text Erwartungseffekte auf Seite 58Pygmalion-Effekte sind in zahllosen Situationen nachgewiesen worden. So kann zum Beispiel die Meinung, die ein Lehrer von einem Schüler hat, das Verhalten dieses Schülers beeinflussen. Jane ist schüchtern und zeigt im ersten Schuljahr an einer neuen Schule sehr schlechte Leistungen (weil sie unter den ständigen Streitereien ihrer Eltern leidet). Der Lehrer kommt zu dem Schluß, daß Jane unmotiviert ist. Im nächsten Schuljahr widmet der Lehrer ihr weniger Aufmerksamkeit, Jane erbringt erneut schlechte Leistungen und zieht sich noch mehr zurück. Im Laufe der Zeit gerät Jane in eine sich stetig verschlimmernde Spirale von Rückzug, schlechten Leistungen, »Abstempelung« durch die Lehrer, weniger Beachtung und verstärktem Rückzug. Auf diese Weise werden Schüler unbeabsichtigt zu einer hohen Meinung von ihrer! Fähigkeiten »verleitet«, wenn sie persönliche Aufmerksamkeit erhalten, oder zu einer geringen Meinung von ihren Fähigkeiten, wenn ihre schlechten Schulleistungen immer noch mehr nachlassen.
Von Peter M. Senge im Buch The Fifth Discipline (1990) im Text Die fünfte Disziplin auf Seite 103Die Forschung zur Auswirkung der Erwartungen von LehrerInnen auf schulische Leistungen
ist auch nach 35 Jahren aufgrund von uneinheitlichen und stellenweise uneindeutigen
Ergebnissen und von Uneinigkeit über statistische und methodische Fragen kontrovers. Es
besteht jedoch Einigkeit darüber, dass die vorliegenden Untersuchungen einen deutlichen
Beleg für die Existenz "sich selbst erfüllender Prophezeiungen" auch im schulischen Kontext
liefern. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Arbeiten, die belegen, dass LehrerInnen
an SchülerInnen aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status und SchülerInnen
aus ethnischen Minderheiten geringere Leistungserwartungen stellen, als an SchülerInnen
mit einem anderen familiären Hintergrund (Baron, Tom, & Cooper, 1985; Dusek & Joseph,
1985). Daher kann angenommen werden, dass Erwartungseffekte zur Erklärung von
Leistungsunterschieden zwischen SchülerInnen aus Minderheiten- oder Migrantengruppen
und anderen Kindern wahrscheinlich beitragen.
Von Kira Alexander, Janet Ward Schofield im Buch Migrationshintergrund, Minderheitenzugehörigkeit und Bildungserfolg (2006) im Text Erwartungseffekte auf Seite 49Die Bedeutsamkeit von Leistungserwartungen Dritter für Lernprozesse wurde erstmals in
Laboruntersuchungen mit Ratten erkannt. Studierende führten Untersuchungen mit Tieren
durch, zwischen denen zu Beginn keine relevanten Unterschiede bestanden. Die Erwartungen
der Studierenden wurden jedoch dahingehend manipuliert, dass sie entweder annahmen,
mit besonders intelligenten oder besonders wenig intelligenten Tieren zu arbeiten.
Tatsächlich zeigte sich, dass die Ratten, von denen die Studierenden annahmen, sie seien
besonders intelligent, schneller lernten und bessere Leistungen bei verschiedensten Aufgaben
zeigten, als die Ratten, die die Studierenden für wenig begabt hielten (Rosenthal & Fode,
1963; Rosenthal & Lawson, 1964). Die Beobachtung der Interaktion der Studierenden
mit den Tieren ergab, dass sie sich den vermeintlich intelligenten Ratten gegenüber anregender
verhielten. Sie redeten mehr mit den Tieren und schenkten ihnen insgesamt mehr
Aufmerksamkeit. Das Verhalten der Studierenden konstituierte somit eine "sich selbst erfüllende
Prophezeiung", indem sich die Ratten, denen zunächst fälschlich höhere Begabung
unterstellt wurde, tatsächlich zu leistungsfähigeren Tieren entwickelten als ihre identisch
ausgestatteten Artgenossen, für die jedoch geringe Begabung angenommen wurde.
Von Kira Alexander, Janet Ward Schofield im Buch Migrationshintergrund, Minderheitenzugehörigkeit und Bildungserfolg (2006) im Text Erwartungseffekte auf Seite 47Die bekannteste und weithin akzeptierte Erklärung, wie die Erwartungen von LehrerInnen
die Leistungen von SchülerInnen beeinflussen, stammt von Jussim (1986). In Jussims Modell,
das sich mit dem Prozess der „sich selbst erfüllenden Prophezeiung“ generell beschäftigt,
entwickeln die LehrerInnen zunächst eine Leistungserwartung für die einzelnen SchülerInnen.
Diese Erwartungen werden aus verschiedenen Quellen gespeist: Stereotype und
Annahmen über soziale Gruppen einerseits, aber auch bisherige Leistungen der jeweiligen
SchülerInnen und andere individuelle Merkmale. Diese Erwartungen beeinflussen in der
Folge das Verhalten des Lehrers oder der Lehrerin gegenüber den SchülerInnen. LehrerInnen
verhalten sich anders gegenüber SchülerInnen, an die sie hohe Leistungserwartungen
richten, als gegenüber SchülerInnen, von denen sie keine guten Leistungen erwarten. Die
SchülerInnen reagieren auf diese unterschiedlichen Verhaltensweisen ebenfalls unterschiedlich
und zwar in einer Art und Weise, die die zukünftigen Leistungen von als leistungsstark
wahrgenommenen Schüler erhöht und die vorgeblich schlechterer SchülerInnen reduziert.
Jussim unterscheidet fünf leistungsbezogene Verhaltensweisen von SchülerInnen, auf die
das erwartungsgesteuerte Verhalten der LehrerInnen wirkt. Diese Verhaltensweisen sind
Anstrengung, Ausdauer, Aufmerksamkeit, Beteiligung und Kooperation.
Von Kira Alexander, Janet Ward Schofield im Buch Migrationshintergrund, Minderheitenzugehörigkeit und Bildungserfolg (2006) im Text Erwartungseffekte auf Seite 57In vielen der frühen Studien zu Erwartungseffekten finden sich bereits Hinweise darauf,
dass LehrerInnen sich tatsächlich unterschiedlich gegenüber SchülerInnen verhalten, an die
sie hohe bzw. niedrige Leistungserwartungen richten. In einer Studie von Rist (1970) wurden
ErzieherInnen schon in der ersten Woche gebeten, ihre Vorschulgruppen in drei Untergruppen
(klug, durchschnittlich, langsam) einzuteilen, und zwar in Abhängigkeit von der
angenommenen Intelligenz der Kinder. Die ErzieherInnen wurden dann aufgefordert, jede
der drei Gruppen an einem eigenen Tisch zu platzieren. Rist konnte beobachten, dass die
ErzieherInnen den Tisch mit der vermeintlich intelligentesten Gruppe in ihrer Nähe platzierten
und diese Kinder die meiste positive Aufmerksamkeit erhielten. Auch über einen
längeren Zeitraum erhielten diese Kinder mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung, zudem
wurden sie häufiger aufgerufen und den anderen Kindern als Vorbilder präsentiert. Ein
Intelligenztest zeigte, dass tatsächlich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Kindern
der drei Gruppen bestanden. Allerdings waren Unterschiede im Hinblick auf äußere
Merkmale (z.B. Kleidung) erkennbar, die sich als Hinweis auf unterschiedliche Schichtzugehörigkeit
interpretieren ließen. Die meisten Kinder in dieser Klasse waren AfroamerikanerInnen.
Dennoch zeigte sich, dass die Kinder in der vermeintlich schlechtesten Gruppe
solche mit besonders dunkler Haut waren, die zudem häufiger "Slang" sprachen. Es liegt nahe, dass solche Kriterien die Leistungserwartungen der ErzieherInnen unter Umständen
beeinflussten.
Von Kira Alexander, Janet Ward Schofield im Buch Migrationshintergrund, Minderheitenzugehörigkeit und Bildungserfolg (2006) im Text Erwartungseffekte auf Seite 57Verwandte Objeke
Verwandte Begriffe (co-word occurance) | Selbsterfüllende Prophezeiungself-fulfilling prophecy(0.08), Placebo-Effekt(0.03) |
Häufig co-zitierte Personen
Niccolò
Machiavelli
Machiavelli
Thomas
Hobbes
Hobbes
Statistisches Begriffsnetz
Zitationsgraph
Zeitleiste
12 Erwähnungen
- Wörterbuch Psychologie (Werner D. Fröhlich)
- The Fifth Discipline - The Art & Practice of the Learning Organization (Peter M. Senge) (1990)
- 2. Die fünfte Disziplin - Der Eckpfeiler der lernenden Organisation
- Ausbildung der Ausbildenden - Exemplarische Materialien aus sieben Kompetenzbereichen zur Vor- und Nachbereitung von komplexen Praxissituationen (Geri Thomann) (2002)
- Universal Principles of Design - A Cross-Disciplinary Reference (William Lidwell, Kritian Holden, Jill Butler) (2003)
- Zehn Merkmale guten Unterrichts - Empirische Befunde und didaktische Ratschläge (Hilbert Meyer) (2003)
- Migrationshintergrund, Minderheitenzugehörigkeit und Bildungserfolg - Forschungsergebnisse der pädagogischen, Entwicklungs- und Sozialpsychologie (Janet Ward Schofield) (2006)
- 3. Erwartungseffekte - Wie Lehrerverhalten schulische Leistungen beeinflusst (Kira Alexander, Janet Ward Schofield)
- Geringe Erwartungen senken das Leistungsvermögen - Warum sich in Deutschlands Klassenzimmern manche Prophezeiungen selbst erfüllen (Thorsten Stegemann) (2006)
- Visible Learning - A Synthesis of Over 800 Meta-Analyses Relating to Achievement (John Hattie) (2009)
- 7. The contributions from the teacher
- Warum Erwartungen reale Folgen haben (Rolf Dobelli) (2012)
- Lehrer (Mareike Kunter, Britta Pohlman) (2015)
- Im Grunde gut - Eine neue Geschichte der Menschheit (Rutger Bregman) (2019)
- Sammlung «Krogerus & Tschäppeler» (Mikael Krogerus, Roman Tschäppeler)