
Die bildbezogene Selbstthematisierung mittels digitaler Kommunikationstechnologien ist ein zentrales Kulturmuster der spätmodernen Gesellschaft. Die kommerziell motivierte Adressierung der User als auktoriale Gestaltungsinstanzen ihres eigenen Selbstbildes darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Selfies mit digitalen Überwachungskulturen verschaltet sind und andauernd mittels Clicks, Likes, Tags und Comments mit den Kulturtechniken des Benennens, Sammelns, Auswertens und Zählens verwoben sind. Auf welche Weise verändern sich eigentlich die Praktiken der Identitätskonstruktion im Rahmen der Ausweitung der neuen digitalen und interaktiven Medien? Kann dieses Regime selbstdarstellerischer Visibilität und die intrinsisch wirkenden Zwänge, sich andauernd selbst darstellen zu müssen, überhaupt durchbrochen werden? Kann sich der Einzelne dem sozialen Druck entziehen, den permanenten Vollzug des eigenen Lebens zu dokumentieren? Praktiken der piktorialen Anonymisierung sind auf Online-Plattformen weitverbreitet und konfrontieren die Zwänge und Obsessionen der facialen Gesellschaft mit dem Entzug, der Absenz oder dem Verschwinden von Gesichtlichkeit. Strategien der Desubjektivierung können als ein Sich-Widersetzen gegen die Verfahren der Registrierung und Identifizierung auf Online-Plattformen und sozialen Netzwerkseiten verstanden werden. Fraglich ist aber in diesem Zusammenhang, ob mit Defacement-Praktiken, Anti-Selfies und visuellem Hacking von Profilfotos die maßgeblichen Handlungsprogramme und Settings der Selfie-Generation verändert werden können.