Die Anfänge der Schulforschung im deutschsprachigen Raum gehen auf die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zurück. In Anlehnung an naturwissenschaftliche Forschungsmethoden wurden Lehren und Lernen erstmals Gegenstand systematischer empirischer Beobachtung und Interpretation. Der international weit verbreitete, auch als „szientifischer Flügel der Reformpädagogik“ (Tenorth
1989, S. 322) charakterisierte Ansatz der „experimentellen Pädagogik“ gilt als wichtigster Vorläufer der empirischen Schul- und Unterrichtsforschung. Diese konnte sich jedoch trotz produktiver Anfänge nach dem Ersten Weltkrieg im deutschsprachigen Raum – anders als vor allem in den USA – nicht durchsetzen. Anstelle der auf Schule und Unterricht bezogenen experimentellen Pädagogik dominierte in der Erziehungswissenschaft der Weimarer Republik die kulturphilosophisch ausgerichtete „geisteswissenschaftliche Pädagogik“. Im Nationalsozialismus herrschten rassistische Ansätze unter Leitbegriffen wie „Auslese“ und „Ausmerze“ vor, die nach dem Zweiten Weltkrieg einen grundsätzlichen Neuanfang der Schulforschung verlangten. Der vorliegende Beitrag beschreibt die Dynamik der Schulforschung in Deutschland bis zum Ersten Weltkrieg und ihre Transformation in der Weimarer Republik in ihrem spannungsreichen Verhältnis zu der historischen Entwicklung des Schulsystems und zu der Herausbildung der Pädagogik als wissenschaftlicher Disziplin am Beginn des 20. Jahrhunderts. Abschließend wird auf die Ähnlichkeiten und Besonderheiten der Geschichte der Schulforschung in der Schweiz und in Österreich eingegangen.