Anhand von Texten aus den Jahren 1972 und 2002 wurden die Schreibkompetenzen
von 530 Viertklässlern aus dem östlichen Ruhrgebiet untersucht und miteinander
verglichen. In einer Nachfolgestudie1
kamen im Dezember 2012 noch 437 Texte
hinzu, die zurzeit ausgewertet werden. Als außersprachliche Variablen wurden u.a.
soziale Schicht, Ein-/Mehrsprachigkeit, Geschlecht und die Sekundarschulempfehlung
erfasst. Die Texte wurden in Bezug auf Schriftbild, Textlänge, Wortschatz, Textgestaltung,
Rechtschreibung, Zeichensetzung und Grammatik untersucht. Neben der
grundsätzlichen Frage nach den historisch bedingten Unterschieden im Schreibverhalten
ermöglicht das Untersuchungsdesign eine differenzierte Analyse des Schriftsprachwandels
in der Grundschule über einen Zeitraum von 40 Jahren.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich generell keine Entwicklung zu defizitären
Texten (‚Sprachverfall‘) beobachten lässt. Stattdessen ergibt sich ein differenziertes
Bild schriftsprachlichen Wandels mit erfreulichen und weniger erfreulichen Tendenzen.
Während beispielsweise für die Bereiche Wortschatz und Textgestaltung
beachtliche Verbesserungen erzielt werden konnten, finden sich in den neueren Texten
beinahe doppelt so viele Rechtschreibfehler. Es zeigt sich auch, dass 2002 und
2012 die soziale Schicht und die Zuordnung der Schülerinnen und Schüler nach
Sekundarschulen (Übergangsempfehlung) in einem wesentlich stärkeren Bezug zu
den schriftsprachlichen Leistungen stehen als 1972. Positive Entwicklungen lassen
sich vor allem bei Kindern aus der oberen Mittelschicht beobachten, während Kinder
aus der Unterschicht mit einer Hauptschulempfehlung gegenüber 1972 deutlich
schlechtere Leistungen zeigen. Gegenwärtig wird untersucht, ob sich der Trend bis
heute fortgesetzt hat. Zur Rechtschreibung liegen bereits erste Ergebnisse vor.
From Wolfgang Steinig, Dirk Betzel in the text Schreiben Grundschüler heute schlechter als vor 40 Jahren? (2013)