
Schon im Altertum hat man sich Gedanken gemacht, wie sich die Persönlichkeit und Psyche eines Menschen am besten erfassen lässt. Am bekanntesten ist die »Lehre von den Temperamenten«, die eine Einteilung in vier Grundpersönlichkeiten vornimmt, nämlich in Choleriker, Melancholiker, Phlegmatiker und Sanguiniker – man denke an Dürers Darstellung der vier Temperamente anhand der vier Apostel Markus, Paulus, Petrus und Johannes. Diese bis in die Gegenwart populäre Einteilung geht auf den bereits erwähnten griechisch-römischen Arzt Galen (s. Kapitel 1) und seine »Vier-Säfte-Lehre« zurück, die besagt, dass die vier Temperamente durch die Dominanz von einem der vier »Körpersäfte«, nämlich Blut (sanguis), Schleim (phlegma), schwarzer Galle (melas cholé) und gelber Galle (cholé) in einer Person zustande kommt. Sie nimmt damit eine »physiologische« Begründung der Persönlichkeit vorweg und wirkt, obwohl sie sich als falsch erwiesen hat, bis in die Gegenwart nach. Noch heute sagt man ja von einem Menschen, er habe eine phlegmatische oder cholerische Natur.
Die moderne Persönlichkeitspsychologie sucht hingegen nicht nach bestimmten Persönlichkeitstypen, sondern nach dem Vorhandensein von einzelnen, gut abgrenzbaren Persönlichkeitsmerkmalen. Die Individualität eines Menschen besteht danach aus einer jeweils einzigartigen Kombination solcher Merkmale, die sich in stärkerer oder schwächerer Ausprägung bei allen Menschen finden (für eine Übersicht s. Asendorpf und Neyer 2012).